Kommen wir nun zu etwas völlig Anderem. Neulich freute ich mich sehr über die Einladung zur Service Desk & Service Management World 2016 in Köln. Die Jahrestagung, veranstaltet von Euroforum mit dem Who-is-Who des deutschen IT Servicemanagements. Zugegeben, der Name der Veranstaltung ist etwas missverständlich, schließlich treffen sich hier Teilnehmer überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum.
Das Programm
Ort des Geschehens ist das gediegene Hotel Pulmann in Köln. Über zwei Tage gab es interessante Vorträge, interaktive Diskussionen und neue Impulse rund um das Service Desk & Service Management. Begleitet wurde dies von einer Fachaustellung sowie einer Abendveranstaltung inklusive Shuttelservice. Weiter wurde natürlich, wie jedes Jahr, der Service Globe (Oscar für Service Desk & Service Management) für besonders innovative Konzepte und Umsetzungen im ITSM verliehen. Zum Programm.
Was ich mitgenommen habe
In den einprägsamen Vorträgen und persönlichen Gesprächen fiel mir eines auf. Scheinbar gibt es zwei Typen von Organisationen, welche sich mit IT Service Management auseinandersetzen. Die einen haben damit vor einiger Zeit begonnen und mittlerweile einen wirklich hohen Reifegrad der Prozesse erreicht. Das war sehr gut sichtbar im Vortrag der Privatbank Julius Bär aus der Schweiz.
Die anderen Unternehmen setzen auch IT Service Management ein. Sind allerdings scheinbar an einer bestimmten Stufe des Reifeprozesses hängengeblieben. Das habe ich selber schon im Konzern erlebt. Der Stillstand ist genau dort wo sich langsam Widerstand der internen Kunden und Fachanwender regt. Infolgedessen kommt die kontinuierliche Weiterentwicklung der Prozesse zum Stehen. Doch was ist die Ursache dafür? Meiner Meinung sind die Hindernisse für einen hohen ITSM Reifegrad hauptsächlich im Kapital zu suchen.
Einerseits im Humankapital denn letztendlich muss jede Form von Prozess von Menschen ausgeführt, verstanden und vertreten werden. Sobald es hier ausserhalb der IT zu Friktionen kommt, kann sich IT Service Management nicht weiter im Unternehmen entwickeln. Der Erfolg von ITIL und Co hängt somit im Umkehrschluss von der Sichtbarkeit seines Nutzens in den Fachabteilungen ab.
Andererseits ist es das Kapital im Sinne von (Risiko-) Investitionen. Investitionen in Wissensaufbau und Infrastruktur sind notwendig damit Mitarbeiter in den vorgegebenen Rollen aufgebaut und die Mittel zur Seite gestellt bekommen, um das erworbene Wissen auch gegen Widerstände umzusetzen. Erst wenn kontinuierlich in beide Kapitalformen eingezahlt wird, ist es dem Unternehmen möglich seinen Reifegrad nachhaltig zu erhöhen.
Eine weitere Entwicklung, welche ich sehr interessant fand, ist das sich IT Service Management langsam auch in Fachabteilungen zum Standard entwickelt. Es geht nicht mehr nur darum die IT Services effizienter zu gestalten. Immer stärker rücken auch die Prozesse der Fachabteilungen in den Fokus. Das ist auch nicht besonders verwunderlich, schließlich gibt es in der Buchhaltung oder im Marketing auch Formen von Incidents, Events oder Problemen. IT Prozesse mit hohem Reifegrad als Vorbild für andere Abteilungen als Blaupause heranzuziehen, scheint also plausibel.
Highlights
Mein persönliches Highlight war der Vortrag von Prof. Kishor Sridhar am Ende des ersten Tages. Es ging um die Zusammenarbeit mit Kunden unter der Überschrift „Der unvernünftige Kunde als Chance“ . Das klingt zunächst nicht besonders nett. Kern waren aber die verschiedenen Ebenen auf denen Kundenservice wahrgenommen wird. Der Vortrag kratzte natürlich nur an der Oberfläche und ich hätte mir ein stärkeres Abtauchen in praktische Beispiele gewünscht, doch Präsentation und das Thema waren sehr gut gewählt.
Außerdem hatte es mir das interaktive Forum „Mobiler IT-Support im Wald – Des Försters neuer bester Freund“ von Ralf Grün (Leiter Benutzerservice Forsten, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung) angetan. Zuweilen trockene Fachthemen aus völlig neuem Blickwinkel. Ich glaub ich steh im Wald.
Ein weiteres Highlight war natürlich die Organisation des Events. Hier sieht man deutlich, dass das Team von Euroforum sehr viel Erfahrung und die notwendige Gelassenheit mitbringt um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen (auch wenn die Bühne manchmal gefährlich knackte).
Verbesserungen
Das Hotel Pulmann bietet zwar einen schönen Rahmen eine solche Jahrestagung, doch waren grade die Roundtables im Foyer eher unübersichtlich und sehr laut. Es war schwierig etwas von den Redebeiträgen der Teilnehmer zu verstehen. Auch Zielsetzung und Output lagen nur auf der Tonspur als das hier etwas verwertbares herausgekommen wäre. Das fand ich schade. Vielleicht hätten Open Space Sessions in verschiedenen Räumen eher zum Ziel geführt.
Außerdem war die Fachausstellung geprägt von Softwareherstellern. Natürlich ist Software eine tragende Säule für Servicemanagement, doch fand ich es eher einseitig und wenig interessant für Teilnehmer, welche sich bereits auf eine bestimmte Lösung festgelegt haben. Hier hätte ich mir noch mehr Beratungsunternehmen und vielleicht auch Expertise von Unternehmen an sich gewünscht. Zum Beispiel Mitarbeiter welche sich in ihrer spezifischen Rolle (z.B. Service Manager) unter die Leute mischen und gezielt Diskussionen fördern.
Fazit
Einerseits war die Mischung der Vorträge sehr interessant. Es wechselte sich Frontalvortrag mit aktiver Partizipation ab. Sogar für aktive Bewegung wurde gesorgt (Dank Melanie Künzl von der Glanzwerkstatt). Andererseits war mir der Austausch zu den eigentlich Themen nicht tief genug. Zu selten hatte ich das Gefühl ginge es ans sprichwörtliche Eingemachte. So fühlten sich die zwei Tage manchmal wie eine Art Klassentreffen an. Das klingt jetzt vielleicht negativer als es eigentlich gemeint ist. Gleichzeitig bedeutet es doch auch in vertrauter Umgebung unter Gleichgesinnten zu sein. Dennoch bin ich mir unsicher über den Benefit, den ich aus der Teilnahme gezogen habe. Der Fokus der Veranstaltung liegt eindeutig auf mittelständische bis große Unternehmen und Konzerne. Kleine Unternehmen, welche grade erst die Notwendigkeit für prozessualen Austausch sehen, profitieren weniger. Der Anspruch der Tagung liegt für mich eher auf „What’s new?“ und weniger auf partizipativer Problemlösung. Damit allerdings bleibt das größte Potenzial einer solchen Tagung für mich ungehoben.
Gleichzeitig heißt das aber auch, dass die Service Desk World noch viel Potenzial hat auch in den nächsten Jahren interessante Themen und Beiträge zur Fachdiskussion beizusteuern. Darauf freue ich mich sehr! Hier geht es bereits zur Ankündigung für 2017.