Was macht eine gute Führungskraft aus?

Was macht eine gute Führungskraft aus?

In meinen Effektivitätsgesprächen werde ich oft gefragt, „Was macht eine gute Führungskraft aus?“.

Darauf eine passende Antwort zu geben, fällt mir schwer. Die Frage enthält das qualifizierende Merkmal „gut“ unter dem jeder etwas anderes versteht.

Etwas, was für mich gut oder positiv ist, muss für dich noch lange nicht gut sein. Das gilt auch andersherum.

Am leichtesten ist es, sich über die Praxis dieser Frage zu nähern.

Beispiel aus dem Führungsalltag „Chef, was mache ich jetzt?“

Ein Mitarbeiter kommt zu dir ins Büro. Er hat ein Anliegen, wie er mit einer Aufgabe oder eine Problem umgehen soll.

Er erwartet von dir eine konkrete Anweisung.

Das setzt voraus, dass du dir tiefgehend Gedanken zur Aufgabe machst. Man muss ja schließlich erst verstehen worum es geht, um dann mit einem Plan um die Ecke kommen, der sein Problem löst. Idealerweise, während der Kollege bei dir steht.

Alles was du vorher gemacht hast, darf jetzt warten. Schließlich willst du dir Zeit nehmen.

Kommunizierst du deinen Plan, ist der Mitarbeiter glücklich. Er weiß jetzt genau was zu tun ist. Du bist ebenfalls glücklich, weil du weiterhelfen konntest.

Außerdem bist du glücklich, weil du dich jetzt wieder deinen eigenen Aufgaben zuwenden kannst.

Die Story könnte nun zu Ende sein. Ist sie aber nicht.

Der Mitarbeiter kommt am darauffolgenden Tag erneut zu dir. Und am Tag danach. Und auch am Tag darauf. Das du nicht am Wochenende angerufen wirst, liegt nur daran, dass der Mitarbeiter am Wochenende nicht arbeitet.

Eine, eher so semi, gute Führungskraft

Bist du anhand dieser Geschichte nun eine „gute Führungskraft?“. Höchstens kurzfristig!

Mittel- bis langfristig bist du in diesem Szenario keine gute Führungskraft, da du keinen bleibenden Wert geschaffen hast.

Ein „bleibender Wert“ ist etwas, was die Organisation um dich herum effektiver, erfolgreicher oder besser macht. Etwas, was dich oder deine Mitarbeiter schneller an ihr Ziel bringt.

Im Gegenteil, du hast eine Abhängigkeit geschaffen. Nämlich zwischen deinem Mitarbeiter und dir. Er hat das Problem und du die Lösung.

Abhängigkeiten sind das krasse Gegenteil von Werten, weil sie unser Tagesgeschäft viel komplexer machen. Sie sorgen für Arbeitsunterbrechungen und verlangsamen Entscheidungsprozesse.

Abhängigkeiten sind das Kryptonid eines jeden Unternehmens und du weißt was passiert, wenn Superman Kryptonid in die Finger bekommt!

Aber was wäre nun der richtige, der „gute“ Weg?

Zurück zu unserem Beispiel.

Das Gegenbeispiel (ein wenig besser)

Mit einem mittelfristigen Ergebnis im Auge hättest du den Mitarbeiter wieder an seinen Platz schicken können, wenn er selber noch keinen Lösungsvorschlag erarbeitet hätte.

Für das nächst mal wüsste er dann, dass er ohne eigenen Vorschlag gar nicht bei dir aufschlagen braucht. Soweit, so „gut“.

Trotzdem kommt der Mitarbeiter am nächsten Tag mit einem Blumenstrauss an Auswahlmöglichkeiten zu dir.

Es ist wie beim Straßenzauberer. Du darfst jetzt eine Karte ziehen 🃏!

Die Verantwortung für die getroffene Wahl liegt bei dir. Seien wir ehrlich, in den meisten Fällen, hast du doch gar eine Ahnung mit welcher Konsequenz du grade etwas entschieden hast. „Zwo, Eins Risiko!“, das sagte schon der großartige Darkwing Duck!

Das kann der Mitarbeiter wesentlich besser beurteilen. Er ist derjenige, der sich hauptberuflich mit dem Problem beschäftigt und nicht du!

Das ist also noch nicht das Ergebnis, das du haben willst.

Du willst noch einen Schritt weitergehen. Schließlich würde es dich auch wieder Kraft und Energie kosten den Vorschlag oder sogar die Vorschläge zu verstehen. Dann eine Entscheidung zu treffen ist unheimlich schwierig und zeitraubend!

Jetzt nochmal richtig! Richtig gut!

Mit einem langfristigen Ergebnis im Auge, hättest du den Mitarbeiter angeleitet, selber zu einer Entscheidung für seine Aufgabe oder sein Problem zu kommen. Du hättest ihm das Vertrauen entgegengebracht, dass er diese Aufgaben selber für sich entscheiden kann, nachdem er die besten Lösungsmöglichkeiten ermittelt hat.

Allerdings ist das für so manchen Mitarbeiter vielleicht eine Herausforderung.

Es gibt viele, die sich über derartige Entscheidungsfreiheit freuen. Hingegen sind viele andere aber sehr froh, konkrete Handlungsanweisungen nur noch umsetzen zu müßen. Das birgt dann weniger Risiko Fehler zu machen und Verantwortung tragen zu müssen.

Vielleicht versteht der Mitarbeiter auch nicht, warum du mit ihm oder ihr so (jetzt plötzlich) ein „Spiel treibst“. Du könntest ja schließlich auch einfach die Lösung für das Problem ausspucken. So wie sonst. Kein großes Gerede, zack zack! Die Arbeit kann weitergehen.

Je nachdem wie der Mitarbeiter gestrickt ist, belastet ihn diese Situation. Den Preis für die Führungskraft des Jahres würdest bestimmt nicht bekommen.

Und trotzdem eine gute Führungskraft

Trotzdem ist in dieser Situation der Titel „gute Führungskraft“ angebracht. Obwohl es deinen Mitarbeiter mehr Kraft kostet und du dir für dessen Anleitung auch mehr Zeit nehmen musst.

Im Gegensatz zu dem vorherigen Szenario ist keine Abhängigkeit entstanden, sondern ein Wert. Im Idealfall hat der Mitarbeiter gelernt, wie er selber zu verschiedenen Lösungen für sein Problem kommen kann und dann noch die Passende auswählt.

Das nennt man intelligentes Delegieren.

Du hast diese Fähigkeit in die Organisation weitergegeben und wirst von diesem Mitarbeiter wahrscheinlich in Zukunft weniger in deinen Aufgaben unterbrochen werden.

Obgleich beide Parteien mehr Arbeit dadurch hatten, steht ein langfristiges Ergebnis im Vordergrund. Das macht dich zu einer „gute“ Führungskraft.

Mit diesem Beispiel können wir wieder auf die Eingangsfrage zurückkommen. Was macht eine gute Führungskraft aus?

Es folg daraus, dass eine gute Führungskraft:

  1. langfristig denkt,
  2. Abhängigkeiten und Komplexität reduziert,
  3. und durch ihre Arbeit der Organisation Wert hinzufügt.

Das sind natürlich nicht die einzigen Merkmale eine guten Führungkraft. Es sind nur die, die wir anhand unseres Beispiels ermittelt haben. Es gibt aber noch viel mehr Beispiele, die uns zu positiven Merkmalen führen können.

Schauen wir uns noch mal die einzelnen Punkte an.

Langfristiges Denken

Langfristiges Denken ist etwas, was die Menschen heute verlernt haben. Wir denken durch unsere Sozialisierung maximal kurzfristig, selbst wenn wir langfristige Verbindlichkeiten eingehen. Der kurzfristige Nutzen, steht immer im Vordergrund.

Kurzfristig Entscheidungen treffen, ist aber nicht unsere Stärke. Zumindest, wenn es nicht grade um das eigene Überleben geht. Das geht auch aus der Forschung von Michael Kahnemann und seinem Beststeller „Schnelles denken, langsames denken“*.

Häufig sprechen wir von „Quick-Wins“. Schnellen Gewinnen. Das klingt so unheimlich positiv, oder? Wie kann ein schneller Gewinn schlecht sein?

Quick-Win-Maßnahmen sind aber eher „quick“ als „win“ und eine Befriedigung für unser, zum Aktionismus tendierendes Gehirn. Ein Quick-Win ist eine gute Absicht auf dem Weg zu einer langfristigen Lösung. Mehr allerdings auch nicht. Ein Quick-Win dient der eigenen Beruhigung und nicht der Lösung eines Problems.

Sogenannte „Low-Hanging-Fruits“ schlagen in die gleiche Kerbe.

Dieser Auspruch, suggeriert, dass wir viel Erfolg mit wenig Aufwand haben können. Nur einmal kurz ins Gehölz gegriffen und schon einen prallen Apfel in der Hand.

Die Kehrseite ist allerdings, dass jeder tiefhängende Früchte pflücken kann. Damit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die restlichen Früchte entweder für uns zu hoch hängen, oder bereits Macken haben bzw. verdorben sind.

Langfristiges Denken und Handeln ist furchtbar anstrengend. Es setzt einen langen Atem voraus und ermahnt uns geduldig zu sein. Etwas, was in unserer Welt nicht mehr angesagt ist. Womöglich lassen wir sogar die eine oder andere „Low-Hanging-Fruit“ einfach mal am Baum, um uns auf unser Ziel zu konzentrieren.

In so ziemlich jedem Buch über Karriere und persönlichen Erfolg gilt Fokussierung als anzustrebende Eigenschaft.

Durch langfristiges Denken, investieren wir unsere Zeit und Energie in eine Vision, die größer ist als jeder Quick-Win und jede Low-Hanging-Fruit. Der Weg mag beschwerlich sein, aber wer bereits länger auf dieser Erde unterwegs ist, weiß dass grade die schwierigen Dinge besonders erstrebenswert sind.

Genug mit dem philosophischen Absatz dieses Posts. Ich hoffe das Argument ist klar geworden.

Abhängigkeiten und Komplexität reduzieren

Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, unsere Welt ist komplex geworden.

Früher dachten wir nur im Terminus „kompliziert“. Früher im Sinne von „Henry Ford’s Fließbandarbeit“-früher.

Kompliziert waren Dinge, die es mit einer bestimmten Abfolge von Arbeitsschritten plötzlich nicht mehr waren. Man nehme Handwerkszeug A sowie Werkstoff B und wende Technik C an. Fertig ist der Kotflügel.

Heute gibt es in unserer Welt Abhängigkeiten, viele Abhängigkeiten. Globalisierung und Digitalisierung (sorry, ohne das Buzzword geht es einfach nicht) sind hier die Stichwörter. Es ist die logische Konsequenz, dass durch Vernetzung Abhängigkeiten und Wechselwirkungen entstehen. Ein gutes Bild dafür ist der Schmetterling in China dessen Flügelschlag einen Wirbelsturm am Niederrhein entfesselt.

In einer Welt voller Abhängigkeiten beeinflussen sich Probleme gegenseitig. Da, wo es sich gegenseitig beeinflussende Probleme gibt, gibt es keine einfachen Lösungen mehr. Auch wenn manche Staatsoberhäupter das Gegenteil propagieren.

Wir haben also ein Interesse daran, Abhängigkeiten und Komplexität, dort wo sie uns begegnen, abzubauen. Viele Führungskräfte und auch Mitarbeiter tun aber instinktiv das Gegenteil. Sie verschlimmern die Komplexität und streuseln am Ende noch etwas Bürokratismus und Prozessverliebtheit oben drüber.

Der Organisation Wert hinzufügen

Bei der Arbeit einer Führungskraft geht es nicht um das Lösen von Problemen. Auch das Bearbeiten von Eskalationen, das Führen von Bewerber- oder Feedbackgesprächen ist nicht originär Aufgabe einer Führungskraft. Es ist nicht unsere Aufgabe Team Ziele zu kommunizieren und diese auf die Mitarbeiter runterzubrechen.

Das sind zwar vordergründig Aufgaben, die du und ich vielleicht erfüllen aber hintergründig geht es immer darum der Organisation Wert hinzuzufügen.

Problemlösungen bringen deinem Unternehmen einen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb. Das ist wertvoll. Neue Fachkräfte zu finden, bringen dir mehr Arbeitskraft und ermöglichen es komplexere Probleme zu lösen. Auch das ist wertvolll für ein Unternehmen. Gut geführte Feedbackgespräche drücken Wertschätzung gegenüber deinen Mitarbeitern aus, was wiederum Bindung dieser an das Unternehmen zur Folge haben kann. Du errätst es wahrschein, dass ist sehr wertvoll.

Der Auftrag einer Führungskraft ist es somit für Mehrwert zu sorgen. Langfristigen Mehrwert, der jeden kurz- bis mittelfristigen Mehrwert übertrifft.

Und so komme ich wieder zum Titel meines Beitrages. Was macht eine gute Führungskraft aus?

Schluss

Eine gute Führungskraft macht ua. aus, dass sie richtig delegieren kann. Das heißt Aufgaben, Prozesse und auch Entscheidungen an ihre Mitarbeiter abgegeben kann. So abgeben kann, dass sie auch nicht immer wieder zurückkommen. Das wäre dann Boomerang Delegation.

Das ist aber natürlich nicht das einzige Merkmal.

Um sich dieser Frage und ihrer Antwort weiter anzunähern, ist es hilfreich zu Fragen „Was ist eine schlechte Führungskraft?“. Diese Frage zu beantworten fällt uns wesentlich leichter. Jedem fallen dazu min. 3-4 Merkmale, Eigenschaften oder Verhaltensweisen ein.

Diese Verhaltensweisen bezeichne ich auch als Holzwege. Wege, die einen entweder in eine Sackgasse oder in den Wald führen. Nicht delegieren zu können, ist einer dieser Holzwege (und sogar ein ganz prominenter). Ein weiterer Holzweg ist es zum Beispiel Mitarbeiter motivieren zu wollen oder sich wie ihr Freund zu verhalten.

In meinem Buch „Was macht eine gute Führungskraft aus?“ habe ich 13 dieser Holzwege aufgeschrieben und wie du sie verlassen kannst. Es adressiert sich an Ein- und Aufsteiger in eine Führungskarriere und soll Orientierung bieten. Ein Verständnis dafür, was gute Führung ist.

Es ist wesentlich einfacher sich „gut“ zu verhalten, wenn man weiß was „schlecht“ ist.

Wenn du aus diesem Artikel nun nur zwei Dinge mitnehmen wollen würdest, dann wären das vielleicht diese:

  1. Denke langfristig! Das ist eine aussterbende Kunst. Übe dich in Durchhaltevermögen und einem langen Atem. Daran arbeite ich auch ständig und trotzdem geht mir vieles einfach nicht schnell genug.
  2. Delegiere so gut und so viel wie möglich. Das reduziert Abhängigkeiten und damit Komplexität. Vermeide aber Boomerang Delegation, die ständig zu dir zurückkehrt. Damit hast du nichts gewonnen.

Was macht eine gute Führungskraft aus? Diese Frage haben wir jetzt beantwortet. Dabei haben wir ganz nebenbei und ein paar der notwendigen Facetten herauskristallisiert. Es gibt aber natürlich noch viel mehr, was gute Führungskräfte beachten sollten.

Nun bist du am Zug! Welche Holzwege kennst du und was bedeutet „gute Führung“ für dich? Was denkst du über langfristiges Handeln und welche Werte im Unternehmen sind für dich wichtig?  Schreib mir dazu gerne unter info(at)kickinthepants.de, ich würde mich sehr über dein Feedback freuen!

Ich würde mich freuen, wenn ich dich in Zukunft direkt über meine eBooks, Selbsttests, Checklisten, Posts und Podcasts informieren könnte. Abonnier hierzu einfach meinen Newsletter. Als Newsletter Abonnent bekommst du zum Beispiel mein eBook „Meetingmanagement für effektive Führungskräfte“ geschenkt, gleich nach deiner erfolgreichen Anmeldung. Also, worauf wartest du?