Einen großen Teil des Tages drehen sich meine Gedanken bei der Arbeit um Qualität. Womöglich nicht immer unmittelbar, oftmals aber damit verbunden. Wenn man in der Verantwortung eines Softwareentwicklungsteams steht, dann kommt es häufig zu Fragestellungen rund um Bugs, Codereviews, Pair Programming, technischen Schulden, Lizenzen vs. OpenSource, Kunden- vs. Internerentwicklung und den damit verbundenen Fragen zu Budget und zeitlichem Rahmen. Ich frage mich: Hat die Art, wie man Mitarbeiter führt direkte Auswirkungen auf die Software, die sie programmieren? Hat ein Team mit einem “schlechten” Chef auch ein potenziell schlechteres Produkt?
Um auf diese Fragen eine Antwort zu finden, freue mich sehr, dass sich Lars Wolfram (Chief Operating Officer) und Michael Lahr (Director Technology) von Talents Connect zu einem Interview bereit erklärt haben. Talents Connect ist eine Plattform, die Bewerber und Unternehmen zusammenbringt. Es geht um das Aufbrechen der starren Strukturen im Arbeitsmarkt und Menschen, die sich im Bewerbungsprozess auf Augenhöhe begegnen. Wer sich auf Talents Connect registriert, bekommt Fragen zu seinem Traumjob gestellt. Die Beantwortung dieser stellt sicher, dass nur das zusammen findet, was auch wirklich zusammen gehört. Von Beginn an, wissen beide Seiten, was Sie voneinander zu erwarten haben.
Michael und Lars stellte ich vier Fragen zu den Auswirkungen wertorientierter Unternehmensführung in der Softwareentwicklung:
Welche Wertvorstellungen spielen in eurer Unternehmensführung eine besondere Rolle?
Bei uns gilt schon seit Gründung „Skills are replaceable, personality is not“. Wir sind davon überzeugt, dass es für jeden Menschen den passenden Job gibt, man muss Talente nur frühzeitig erkennen und diese im richtigen Umfeld entwickeln. Darüberhinaus lieben wir Herausforderungen und bestärken unser Team immer darin, mutig zu sein, denn „geht nicht“, gibt’s nicht bei uns. Als Result darf bei uns jeder Fehler machen, solange daraus die richtigen Learnings gezogen werden. Allem voran steht allerdings innerhalb unserer Wertvorstellungen die Verbindlichkeit. Wir fördern jeden einzelnen Mitarbeiter, fordern jedoch gleichzeitig extrem hohe Verlässlichkeit – unseren Kunden, sowie einzelnen Teammitgliedern gegenüber. Das hat bisher dazu geführt, dass wir noch nie zu spät live gegangen sind.
Mit welchen Indikatoren erfasst ihr die Qualität eurer Produkte?
Das Thema Produktqualität ist seit Beginn ein wichtiger Faktor für uns, deshalb erheben wir bereits seit langer Zeit den sogenannten Net Promoter Score (NPS). Da dieser Indikator so nah am Kunden ist, steht er über den quantitativen Messungen. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass bei diesem Indikator viele Fragen offen bleiben. Da wir aus Zeitgründen immer mehrere Veränderungen zeitgleich auf der Plattform vornehmen, gibt es bei uns viele verschiedene Möglichkeiten, weshalb sich der NPS verändert haben könnte, eine kausale Zuordnung nur anhand des NPS ist häufig fast unmöglich. Deswegen erheben wir seit Jahresbeginn zu den qualitativen Messungen zusätzlich quantitative Indikatoren, um unsere Produktqualität sicher zu stellen. Dazu zählen vor allem:
- Defektrate (Anzahl der Bugs pro Codezeile und ihr Schweregrad)
- Reaktionszeit: Wie schnell werden Bugs behoben? Wie schnell reagieren wir und erfüllen somit unser Versprechen dem Kunden gegenüber?
- Generelle Verfügbarkeit unserer Systeme
Neben der direkten Produktqualität bewerten wir unsere Softwareentwicklung zusätzlich anhand von folgenden Indikatoren:
- Verhältnis der Features, die aus Eigeninitiative entstanden sind, zu denen, die von Kunden initiiert wurden
- Arbeitszeitverteilung: Verhältnis zwischen Entwicklung, Wartung und Research
- Automatisierungsgrad: Verhältnis zwischen den individuellen Kundenanpassungen zu Produktentwicklung, die anschließend standardisiert werden
- Abdeckung durch automatisierte Tests: Wie viel Featurefunktionen unserer Produkte können durch automatisierte Tests geprüft werden
Wie werden die Wertvorstellungen in die Softwareentwicklung transportiert?
An erster Stelle stehen auch bei unserer Softwareentwicklung Verbindlichkeit und Transparenz: Wir nehmen alle Beteiligten, das heißt sowohl unser Team, als auch unsere Kunden, in die Pflicht, in Time zu liefern, um so einen pünktlichen Launch zu ermöglichen. In Hinblick auf die Priorisierung von Release und Anforderungen legen wir viel Wert auf ein transparentes Vorgehen und Entscheidungsprozesse, die systematisch und nachvollziehbar gestaltet sind.
Außerdem gilt auch für unsere Produkte, dass den Entwicklungsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt werden. Wir bieten dem Kunden aber nicht gleich die komplexe Lösung an, sondern starten mit den nötigsten Kernfunktionen, einem Minimum Viable Product (MVP) und entwickeln das Projekt gemeinsam anhand unserer Learnings weiter. Ausgehend von dieser ersten Lösung holen wir gemeinsam mit dem Kunden Marktfeedback ein und erweitern Runde für Runde das gesamte Produkt.
Ist mit diesem Transport gleichzeitig eine Veränderung der Qualität bemerkbar (z.B. aus Perspektive des Kunden)?
Unsere Werte helfen uns, den Balanceakt zwischen Kundenprojekten und internen Projekten zur Softwareentwicklung im Alltag zu meistern. Wenn es um die Priorisierung von Features und Modulen geht, ist das Wichtigste für uns, Kundenprojekte nicht gegen interne Weiterentwicklung und strategische Ziele abzuwiegen, sondern immer zu versuchen, daraus eine Symbiose herzustellen. Unserer Mut zu Herausforderungen führt dazu, jeden Kundenwunsch in das richtige Feature übersetzen zu wollen. Dabei ist es allerdings essenziell für uns, immer mit einem MVP zu starten und frühzeitig auf einen hohen Standardisierungsgrad zu achten. Auf diese Weise können wir unsere Software direkt an den Marktansprüchen weiterentwickeln und für sämtliche Kunden einen Mehrwert schaffen. Durch diese Strategie profitieren nicht nur alle Kunden von einer zuvor individuellen Weiterentwicklung (durch zusätzliche Features), sondern, es werden zusätzlich die Investitionskosten für jeden minimiert.
Michael und Lars (von. links nach rechts), vielen Dank für eure Antworten und das spannende Interview.
Fazit
Habe ich nun eine Antwort gefunden? Hat wertorientierte Unternehmensführung Auswirkungen auf die Qualität von Software? Ja, hat sie! Mal mehr, mal weniger direkt. Aber immer spürbar. Michael und Lars sprechen hier von Symbiose der internen- und Kundenanforderungen, von Augenhöhe und gegenseitigem Abgleich von Erwartungen, sowie einem offenen, vertrauensvollen Umgang untereinander. Fehler dürfen und müssen gemacht werden. Es zählt, was man daraus lernt. Ich würde das als positiven Mindset zusammenfassen.
Für Unternehmen zählt aber auch ganz klar wirtschaftlicher Erfolg. Wirtschaftlicher Erfolg und positiver Mindset gehen aber nicht immer Hand-in-Hand. Die Unternehmensführung kann wertorientiert sein und die Qualität der Software hoch. Doch wenn niemand das Produkt kauft, müssen Unternehmen dennoch oftmals leider schließen und die Mitarbeiter stehen auf der Straße. Dieser, von Talents Connect vorgelebte positive Mindset erhöht jedoch, meiner Meinung nach, deutlich die Chance mit seiner Idee auch wirtschaftlich erfolgreich am Markt agieren zu können.
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