Heute las ich auf Xing ein Interview mit der Überschrift „Kollegin für’s gute Gefühl“ . Darin geht es um eine „Feelgood Managerin“, welche über Nudelsalat, dekorative Büroräume und Spaß am Arbeitsplatz spricht. Normalerweise finde ich solche Beiträge ganz interessant, weil sie meine Vision der Arbeit von Morgen befeuern. Doch dieser Artikel entsetzte mich. Entsetzte mich aufgrund seiner Oberflächlichkeit, die mit unternehmerischer Wirklichkeit kaum noch etwas zu tun hat. Ja, natürlich ist gute Laune am Arbeitsplatz förderlich. Aber glauben wir wirklich, dass dies bei einem 20 Mitarbeiter Unternehmen etwas mit dem Nudelsalat zu tun hat?
Die wirkliche Herausforderung beginnt doch erst, wenn ein Unternehmen wächst. Das Tagesgeschäft komplexer wird. Sich Kundenstämme gleichförmig mit Marktanforderungen und Prozessen entwickeln. Die Frage nach dem Ertrag will ich hier gar nicht stellen. Zu spät, wenn ich schon dabei bin. Wie rechnet sich ein Feelgood Manager? Wie wird ermittelt, ob die Stimmung, die er ggf. erzeugt einen positiven Effekt auf den Umsatz hat? Ok, schon gut. Es geht nicht immer um Umsatz. Aber machen wir uns nichts vor. Am Ende hat jede Organisation einen Zweck. Den Zweck Ziele zu erreichen. Inwiefern klappt das besser mit einem Feelgood Manager?
In mir entstand eine Idee. Alles im Leben hat sein Yin und Yang. Daher wäre es nur konsequent, wenn der Dualismus auch vor dem Feelgood Manager nicht halt machen würde. Geboren war der Feelbad Manager.
John’s Vieh
Darf ich vorstellen, „John“. John ist ein mies gelaunter Mitarbeiter in einem hippen kleinen Startup und hat nur eine einzige Aufgabe (ausser sich unregelmässig zu waschen). Den Kollegen und Mitarbeitern so richtig die Laune zu verderben. John ist dabei ziemlich erfinderisch und stets auf der Suche nach neuen Anregungen. Dabei muss sich John nicht wirklich Gedanken um seinen Job machen. Die letzte Investmentrunde hat es möglich gemacht.
John hat das erklärte Ziel jede Art von positiver Stimmung ins negative zu verkehren. Gerne geht er dafür mit seinen Kollegen auch ins Gespräch und holt die verborgensten Alpträume hervor. Oftmals weinen die Mitarbeiter am Ende eines Gesprächs. John ist dann zufrieden. Aber halt, beginnen wir beim Anfang des Tages. Der beginnt für John verkatert um kurz vor 12 Uhr. Da kümmert er sich mit einer Zigarettenkippe im Mundwinkel und ordentlich Restalkohol erst einmal um das Mittagessen. Auf dem Speiseplan stehen dabei die Dinge, die schon länger im Kühlschrank liegen und noch vom Vormieter übrig geblieben sind.
Am Nachmittag dann hat er nach einem ausgedehnten Schläfchen auf dem Empfangstresen den ersten Termin. Nein, eigentlich ist es bereits der Zweite. Der erste Termin war, um seinen Hund gassi zu führen. Da er das aber öfter vergisst, erledigt der überaus schlecht erzogene Hund meist sein Geschäft am Eingangsbereich. Wenn es kracht und scheppert, ist wieder jemand darauf ausgerutscht. Anschließend widmet sich das, von den Mitarbeitern wenig liebevoll genannte „Vieh“, seinem Hobby und sucht nach Taschen und Rucksäcken, die auf dem Boden abgestellt wurden. Neuen Mitarbeitern passiert das leider immer wieder. Wenn die Tasche heil bleibt, sollte man vielleicht einen Blick hinein werfen. Oft wartet dort noch eine Überraschung von John’s Vieh.
Die Sitzung
John ist mit einem Mitarbeiter verabredet, der grade eine wirklich wichtige Softwareentwicklung vornehmen muss. Da ist es unverzichtbar, dass er durch ständige Piekser in die Seite und laute Zwischenrufe mit Zahlen und wüsten Beschimpfungen abgelenkt wird. Als Belohnung für die schlechte Arbeit gibt es von John noch einen leisen Rülpser und Bierring auf den frisch ausgedruckten Präsentationsunterlagen. Nun ist endlich Zeit für die wichtigen Dinge. Die Geschäftsführer sitzen zusammen. Hier darf John und John’s Vieh nicht fehlen.
Während das Vieh an einem Schuh des obersten Vorgesetzten nagt, stellt John dar, welche Misserfolge und Effizienzeinbußen er in den letzten Tagen und Wochen realisieren konnte. Die Umsätze stagnieren tatsächlich stark und die letzte Mitarbeiter Befragung gab Grund zur berechtigten Sorge der kompletten Abwanderung der Belegschaft. Es könnte also nicht besser laufen. Der Abend formt das Highlight des Arbeitstages indem John wenig hektisch Wlan Kabel verschwinden lässt und die Cloud löscht.
Der Tag endet, wie er begonnen hat mit Johns Kopf im Eisfach auf der Suche nach Hochprozentigem.
Feelbad vs. Feelgood
Auch wenn ich hier natürlich maßlos übertreibe (was unheimlich Spaß macht). Die Geschichte des Feelbad Managers zeigt zumindest eine reales Dilema dieser Idee. Ein Feelbad Manager kann seinen schädlichen Einfluss wirtschaftlich nachweisen. Das ist unbedingt notwendig, wenn nicht grade das Topmanagement die Idee dazu hatte. Ein Feelgood Manager in einem 20 Personen Unternehmen kann dies hingegen nicht. Denn auch ohne eine solche Stelle, würde das Startup sicher genug positives Momentum entwickeln, um am Markt zu prosperieren. Und auch eine Mitarbeiterbefragung ist da nicht ganz ausschlaggebend. Damit allerdings entlarven sich Argumente, die ganz nach Johns Geschmack wären.
Nummer 1: Wenn es einen Feelgood Manager braucht, fehlt offentsichlich der Kontakt zum Vorgesetzten. Hier findet quasi eine Abtrennung zwischen Persönlichkeit und Professionalität statt. Der Feelgood Manager ersetzt die Persönlichkeit und bietet eine Dienstleistung für soziale Fähigkeiten. Der Feelgood Manager als eine Art Hauswirtschaftler?
Nummer 2: Ein Feelgood Manager kann nur schwer seinen Nutzen für die Zielerreichung der Organisation darlegen. Zu indifferent sind die Einflüsse auf das Tagesgeschäft. Das kann niemand wirklich messen. Man muss daran glauben. So ähnlich wie mit dem Placebo. Immerhin kann einen auch überbordende Gemeinschaft von der Arbeit abhalten. Damit würde allerdings wahrscheinlich nur die Feelgood Motivation verstärkt, denn für manche Menschen ist es schwer zu verstehen, dass man auch mit guter Laune zu Grunde gehen kann.
Nummer 3: Es steht zu befürchten, dass ein Feelgood Manager sich sogar negativ auf Dissenz auswirkt. Also Uneinigkeit bei Entscheidungen. Dadurch geht ggf. Innovationskraft des Unternehmens verloren. Es werden Entscheidungen getroffen, die sich als schlecht heraustellen. Einfach weil sie von niemandem angezweifelt werden. Zu befangen macht einen die hergestellte Harmonie, die sehr an den heimischen Küchentisch im Elternhaus erinnert.
Ich könnte wahrscheinlich beides nicht lange ertragen, wobei tendenziell John und John’s Vieh als hassgeliebte Quälgeister sympathischer wären. Ganz ohne Nudelsalat.
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