Was ist Digitalisierung und Industrie 4.0 und was hat unsere Wahrnehmung damit zu tun? Eigentlich ist das gar nicht schwer. Zumindest nicht so schwer, dass es die Massen von Büchern rechtfertigen würde, die aktuell dazu geschrieben werden. Digitalisierung ist die Verbreitung und Integration von Soft- und Hardware. Hardware einerseits, die immer kompakter und leistungsfähiger wird. Software andererseits, die immer stärker simplifiziert und automatisiert. Industrie 4.0 hingegen ist Digitalisierung in der Industrie. Mit der Nummer möchte man die evolutionäre Stufe ausdrücken. Außerdem klingt das schön „fancy“.
Carwash 6.0
Was ich hier in ein paar Sätzen zusammengefasst habe, kann man natürlich nun noch weiterführen. Schließlich erwachsen aus Simplifizierung und Automatisierung gepaart mit unerschöpflicher Rechenleistung und kleinen Formfaktoren gewisse Herausforderungen und Probleme. Genau da beginnt das Kaffeesatz Lesen. Die Bereiche in denen somit Digitalisierung eine Rolle spielen kann oder bereits tut, sind so mannigfaltig, da ist für jeden Experten etwas dabei (siehe auch die Studie der Hans Böckler Stiftung – „Arbeiten in der Industrie 4.0“ ) . Grade zu schade, dass man sich aktuell hauptsächlich auf Industrie 4.0 beschränkt. Healthcare 3.0, Petshop 2.0 und Carwash 6.0 wären ebenso interessant.
Die Durchsicht der vorliegenden Befunde zeigt, dass sich die meisten Trendaussagen darin einig sind, dass die weitere Diffusion von Industrie- 4.0-Technologien erhebliche Veränderungen in industrieller Produktion, Organisation und Arbeit nach sich ziehen wird: Die Arbeits- und Kontrollbeziehungen von Mensch, Maschine und ggf. Produkten werden neu justiert, komplexere Arbeitszusammenhänge müssen von den Mitarbeitern bewältigt werden und Qualifikationsanforderungen verändern sich ebenso wie bisher etablierte Berufsbilder (insbesondere an der Nahtstelle von Produktions- und Entwicklungsarbeit). Studie 'Arbeiten in der Industrie 4.0'
Das obige Zitat in der Übersetzung: Auf gut 45 Seiten wurde festgestellt, dass die meisten davon ausgehen, dass die eingesetzten Technologien sich sicher weiter verändern werden und der Mensch aufpassen muss nicht abgehängt zu werden. Bilanz: Alles ist im Fluss. Na, Glückwunsch.
Schnell denken, sonst kommt was dabei raus
Tapetenwechsel: Kennen Sie eigentlich Daniel Kahneman? Nein? Kein Problem, der Mann erhielt den Wirtschaftsnobelpreis 2002 für seine Forschung zum Thema „Für das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaft, besonders bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit“. Ich gebe zu … ist lange her. In seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ beschreibt er ganz aktuell ua. die psychologischen Effekte, die zur Verzerrung unserer Wahrnehmung führen. Darunter auch die „Illusion of skill“, sogenannte Rückschaufehler und Ersetzungen. Das jetzt genauer zu erklären, würde der Überschrift des Artikels nicht gerecht.
Kognitive Illusionen
Kognitive Illusionen und Rückschaufehler führen dazu, dass Experten wie zum Beispiel Aktienhändler oder auch Wetterfrösche wunderbar vergangene Kurs- und Wetterschwankungen erklären können und daraus Rückschlüsse auf die Zukunft ableiten. Die Ersetzung hingegen ersetzt komplexe Fragestellungen mit einfacheren Fragestellungen. Meist ohne, dass es der Experte oder das gespannte Publikum merkt. Führen tut das unweigerlich zu Schwachsinn. Welcher in der Rückschau unweigerlich vollständig erklärbar wird und wiederum zu neuem Schwachsinn führt.
Bockige Kaffeesatz Leser
Wenn es um die Digitalisierung und Phänomene wie Industrie 4.0 geht, sind die gleichen psychologischen Effekte am Werk. Das es die Digitalisierung gibt, steht außer Zweifel. Doch wohin uns das in Zukunft führen wird, kann noch niemand wirklich sagen, auch wenn es so viele beharrlich versuchen. Dafür ist die Anzahl der Variablen in Kombinationen einfach zu groß und der Intellekt des Menschen gleichermaßen zu begrenzt.
Doch halt, natürlich gibt es auch kurzfristigere Prognosen die getroffen werden können. So muss man kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass wir irgendwann das Problem der Integration lösen müssen. Allerdings ist das nicht wirklich ein Problem, zumindest keines, was sich nicht von selber lösen wird. Neulich wurde ich auf den Online-Shop von Haufe fehlgeleitet. Dort finden Sie annährend zu jedem betrieblichen Prozess eine Softwarelösung. Schierer Wahnsinn. Lange ist die Zeit her, in der man im Saturn vor dem Regal mit den Databecker CD-Roms stand und sich über die Vielfalt wunderte. Nun stellen Sie sich mal vor, Sie installieren das alles!? Super, Ihre Prozesse sind nun digitalisiert aber nicht integriert. Stattdessen nennen Sie einen Software Zoo Ihr eigen.
Antworten auf entscheidende Fragen zu unserer digitalen Zukunft lassen sich nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate finden. Die digitale Transformation ist ein langwieriger und äußerst dynamischer Prozess ohne klares Zielbild. Studie 'Die Digitale Transformation der Industrie'
Wie aber bereits illustrer beschrieben, wird das Problem nicht lange bestehen. Software simplifiziert und automatisiert. Das bedeutet auch, es werden immer neue Schnittstellen entstehen, die virtuelle Mauern einreißen. Der Mensch ist nur ein Katalysator, der sich der Illusion hingibt, etwas steuern zu können. Digitalisierung ist quasi eine „Self-Fullfilling-Prophecy“ und wir sind die Erfüllungsgehilfen. So…erstmal lüften. Was zusammen gehört, wird zusammen wachsen. Ich persönlich habe da meine ganz private Zukunftsvision wohin uns das alles führen wird. Steigen Sie ein, ich nehme Sie ein Stück mit.
Menschlicher Geist auf Freigang
Irgendwann wird die Software Integration so weit fortgeschritten sein, dass es nur noch einen einzigen Teil gibt, der sich nicht so richtig integrieren lässt. Ja das sind wir, der Mensch mit seiner Oldschool Biomasse. Unweigerlich wird uns vor lauter Ungeduld die digitale Welt verschlingen. Wer kann es ihr verübeln. Es wird dann nicht mehr notwendig sein, große Raumschiffe zu bauen, um die Umlaufbahn unter Getöse zu verlassen. Der digitalisierte Mensch schwebt in kleinen silbernen Boxen, bestückt mit Sensoren und Miniantrieb durchs All und erforscht frei von Zeit, Raum, Sterblichkeit und der Notwendigkeit regelmässiger Atmung neue Welten. Das wäre in vielerlei Hinsicht sicher nachhaltiger für unseren Planeten.
Der Mittelstand ist integrativer Bestandteil der digitalen Revolution und muss im Rahmen strukturierter Überlegungen die Antwort darauf finden, ob und inwieweit die Digitalisierung umzusetzen ist, um das Unternehmen langfristig überlebensfähig zu erhalten. Studie 'Digitalisierung im Mittelstand'
Bis es soweit ist, werden auch weiterhin Bücher, Studien, Fachartikel und Expertenkommentare zur Digitalisierung, Industrie 4.0 und ihre merkwürdigen geopolitischen Zusammenhänge (Wettlauf zwischen Amerika, Europa und Asien) die sozialen Medien fluten. Doch letztendlich ist das nicht viel anderes als fachlicher Science Fiction. Meinetwegen Science Fiction 4.0. Sollte ich 2573 in meiner Box um den Melmac herumschweben, kann ich zumindest in der Rückschau sagen „Schwachsinn, es musste ja so kommen!“.
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