Vor etwas weniger als einem Jahr stellte ich auf meiner Webseite die neue Kategorie “Vier Fragen an” vor. Mein erster Gesprächspartner war Dr. Waldemar Pelz von der THM zum Thema Transformationale Führung.
Ein Jahr und über 100 Beiträge später, möchte ich Dr. Thomas Bittner (Organomics GmbH) zu Wort kommen lassen, der mit seinem Unternehmen täglich den organisatorischen Wandel hin zu mehr transformationaler Führung in Unternehmen begleitet und vorantreibt. Ich freue mich sehr, dass er sich für mich Zeit genommen hat und meinen Lesern und mir tiefe Einblicke in Materie erlaubt.
K: Welche Rolle kann die Transformationale Führung im Rahmen der digitalen Transformation spielen?
TB: Transformationale Führung hat viel mit positiver Zukunftsorientierung zu tun. Die Führungskraft zeigt den Mitarbeitern, wie die Zukunft sein wird – Stichwort: VISION. Idealerweise sollte sie attraktiver sein als die Gegenwart. (siehe http://www.organomics.de/organisationsentwicklung/transformationale-fuehrung/ und www.transformationale-fuehrung.de ) Die Digitalisierung kommt, ob die Unternehmen/Führungskräfte/Mitarbeiter es wollen oder nicht. In manchen Branchen geht es schneller/langsamer als in anderen. Aufgabe der transformationalen Führungskräfte ist es also, den Mitarbeitern zu verdeutlichen, welche Rolle ihr Unternehmen/Abteilung dort spielen wird, was sich verändern wird und warum diese „digitale“ Zukunft attraktiv ist. Das ist nicht unbedingt einfach, aber schließlich sind sie ja Führungskräfte.
K: Was sind die größten Hindernisse, Vorbehalte oder Blockaden, die Ihnen im Projektgeschäft begegnen?
TB: Es kommt immer darauf an, mit wem man spricht: Fachbereiche tun sich hier oft leichter als die Personaler. Wer vor einer größeren Veränderung steht, der braucht ggf. ein Instrument wie die transformationale Führung, um den Wandel führungstechnisch zu begleiten. Wer den Vertrieb „befeuern“ will, aber schon alle Register extrinsisch wirkender Anreize gezogen hat, der benötigt etwas für die intrinsische Motivation. Hier ist die transformationale Führung der „Königsweg“.
Wenn jedoch der Personaler seinem Vorstand gerade ein anderes Führungskonzept als heilsbringend „verkauft“ hat, dann mag er auch nichts von den wissenschaftlichen und in (unseren) Projekten nachgewiesenen Effekten transformationaler Führung hören. (Siehe http://www.organomics.de/wp-content/uploads/2013/11/Scan-Artikel-Organomics-TFL-VW-2013.pdf ) Und schließlich gibt es „Fans“ bestimmter Führungsansätze oder Unternehmen, die sich einem Führungs-„Guru“ verschrieben haben und nicht von ihm los wollen oder können. Personaler, die sagen „Transformationale Führung ist Quatsch!“ gibt es andererseits auch nicht. Das wäre auch Blödsinn, angesichts der überwältigenden Anzahl von Studien, die die Wirksamkeit dieses Ansatzes zeigen. Manchmal haben die Personaler allerdings zu viel Respekt oder gar Angst vor den Führungskräften in ihrem Unternehmen und behaupten schon mal, dass dieser Ansatz nicht passt oder nicht auf Akzeptanz treffen wird. Freilich denkt ein Ingenieur anders als ein Sozialwissenschaftler. Wer sich jedoch darauf einlässt – und das machen ca. neun von zehn Führungskräften in unseren Projekten – und anschließend erlebt, wie positiv die Mitarbeiter auf sein verändertes Führungsverhalten reagieren, der wird dabei bleiben.
Eine Frage, die mir ab und zu gestellt wird ist auch: „Transformationale Führung? Habe ich noch nicht gehört. Wer macht das denn?“ Und ja, es stimmt auch: Transformationale Führung wird nur von wenigen Unternehmen (flächendeckend) praktiziert. Der Grund ist, dass der Ansatz häufig noch nicht bekannt ist und seine Umsetzung mit einem höherem Aufwand verbunden ist als bei anderen gängigen Führungskonzepten.
K: Warum ziehen Ihre Kunden die Transformationale Führung anderen Führungsstilen vor und woher kommt ihre Motivation dazu?
TB: Manchmal ist es die Suche nach einem neuen Ansatz (obwohl es die transformationale Führung ja schon seit über 30 Jahren gibt), weil man ab und zu einfach etwas Neues braucht. Manchmal ist es die Erkenntnis, dass situative Führung nicht funktioniert (weil es einfach nicht geht wg. der Fehlattributionen). Und oft ist es die Notwendigkeit, jetzt die richtigen Hebel zu betätigen, damit sich etwas im Unternehmen bewegt. Damit manche Mitarbeiter „in Schwung“ kommen.
Wir begleiten die Führungskräfte unserer Klienten über einen längeren Zeitraum – von bis zu einem Jahr. (siehe http://www.organomics.de/organisationsentwicklung/transformationale-fuehrung/beispiel/ ) Dies ist auch unbedingt notwendig, da wir ein i.d.R. tradiertes Verhalten ändern wollen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern nur durch üben, üben, üben. Mit diversen Interventionen (Seminare, persönliches Coaching, telefonisches Coaching, E-Learning). Und am allerwichtigsten: Eine Sensibilisierung für die eigene Führung schaffen durch den Einsatz eines VALIDEN Messinstrumentes zur transformationalen Führung. Denn wer sieht, wie seine Mitarbeiter das eigene Führungsverhalten beurteilen, der ist motivierter daran zu arbeiten. Dieses Programm für einen Führungsansatz, der nachweislich funktioniert, ist es häufig, was unsere Kunden speziell interessiert.
K: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Transformationale Führung in den nächsten Jahren entwickeln? Kann diese Art der Führung neben Buzzwords wie “agile” und “lean” bestehen?
TB: Das Potenzial für die transformationale Führung ist ja noch längst nicht ausgeschöpft. Manchmal kommt es mir vor, als befände sich der Ansatz noch im „Dornröschenschlaf“ in einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm und warte nur darauf, „wachgeküsst“ zu werden. Anführer wird es immer geben – auch in agilen Strukturen. Die heißen dann vielleicht nicht so, aber sie führen faktisch ein Team. Denken Sie an spielende Kinder – es bilden sich immer Führungsstrukturen heraus. Und agil oder lean passt auch zu transformational. Ich sehe da keinen Widerspruch. Menschen wollen keine Unsicherheit, sondern klare Vorstellungen von der Zukunft – das kann ein transformationaler Anführer leisten (sog. inspirierende Motivation). Und auch die Verantwortungsabgabe in agilen Strukturen passt bspw. gut zum Element der geistigen Anregung („intellectual stimulation“) in der transformationalen Führung. Während agil oder lean prozessual sind, ist die transformationale Führung psychologisch ausgerichtet. Das passt doch, oder?
Herr Dr. Bittner vielen Dank für Ihre Zeit und den sehr interessanten Einblick in Ihre Arbeit!
Kurzportrait Dr. Thomas Bittner
Dr. Bittner studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln, Paris und Montréal. Promotion im Fach Wirtschaftspsychologie. Stationen bei mehreren internationalen Beratungsunternehmen. Acht Jahre Vorstand der psychonomics AG in Köln. Dort betreute er Projekte zum Kunden- und Change-Management sowie Mitarbeiterbefragungen. Seit 2011 ist Dr. Bittner Geschäftsführer der Organomics GmbH.
Zu “Vier Fragen zur Transformationalen Führung mit Dr. Waldemar Pelz (THM)”
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