Kennen Sie den Satz „Seien Sie einfach Sie selber!“? Oft tritt er vor oder während eines Bewerbungsgespräches auf und wird auch gerne in Einladungen zu Assessmentcentern verwendet. Was zunächst als ein guter Rat einleuchtet, ist aber wesentlich mehr. Dieser Satz ist eine Art Weißabgleich für die, dem Bewerber bevorstehende Persönlichkeitsanalyse.
Zu diesem Artikel gibt es mittlerweile eine Fortsetzung in Form einer Expertenrunde.
Persönlichkeitsanalysen gibt es wie Sand am Meer, hier nur ein paar der gängigen Vertreter dieser Gattung:
9 Levels of Value System , A-Competence-Profile , ASSESS by Scheelen , Biostrucktur-Analyse , CAPtain-Potenzialanalyse, Herrmann Brain Dominance Instrument , IMX Leistungspotenzial Profil , Insights Discovery , Die LIFO-Methode , Lumina Spark Persönlichkeitporträt , Management Drives Fragebogen , Meyer-Briggs-Typenindiaktor, persolog Stress Profil, Power-Potential-Profil , Profilingvalues , Reiss Profile , S.C.I.L Performance Strategie , Stressprävention by Scheelen und last but not least Meta-Programme .
All diese Techniken und Methoden funktionieren nur durch fünf Annahmen:
- Sie werden angewendet unter der Prämisse, der Urheber der Analyse sei objektiv und würde das Ergebnis nicht selber verfälschen.
- Sie nehmen den Menschen unabhängig von seiner Umwelt wahr. Betrachten also nicht die Umstände der Analyse.
- Sie gehen davon aus, der Mensch sei ein logisch, vorhersehbar handelndes Wesen und ignorieren Widersprüche.
- Sie nehmen (Körper-)Sprache und Verhalten als Indikator für die zu analysierenden Parameter.
- Sie nehmen an, die Resultate hätten Bestand auch nach der Beobachtung.
Die Funktionsweise der meisten Persönlichkeitsanalysen wiederholt sich. Es werden Wertpaare gebildet wie Intern/Extern, Kopfmensch/Bauchmensch, Reaktiv/Proaktiv oder Hin zu/Weg von. Die Wertpaare stammen aus anderen Erhebungen, Interviews oder wissenschaftlichen Arbeiten. Innerhalb dieser Kategorien werden weitere Merkmale festgelegt und dann auf einer Skala bewertet. Manchmal wird auch mit Farben gearbeitet, was dann eher nach Fengshui klingt.
HR: Herr Müller, würden Sie sich eher als Bauch- oder Kopfmensch bezeichnen?
SM: Mh, dass hängt ganz von der Situation ab.
HR: Nein, wir möchten, dass Sie sich entscheiden!
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Alleine die schiere Anzahl an Analysen zeigt im Umkehrschluss, dass es die perfekte Analyse nicht zu geben scheint. Es scheint also keinen Weg zu geben, zweifelsfrei die Beweggründe eines Menschen zu klassifizieren. Das zeigen auch jüngste, unsagbar tragische Vorkommnisse in der Luftfahrt. Alle zuvor gemachten Annahmen sind angreifbar. Das Risiko für Irrtum, welches eigentlich eleminiert werden soll, bleibt bestehen und vergrößert sich noch.
Objektive Erhebung
Zunächst einmal sind die Fragesteller und Urheber der Analyse auch nur Menschen. Das bedeutet sie denken ebenso in Schubladen, haben Vorurteile, individuelle Vorlieben, Abneigungen und Erfahrungen. Diese fließen natürlich bewußt oder unbewußt immer in eine Analyse mit ein. Nicht umsonst nutzen findige Coaches „ die Fehler die Beobachter im AC machen “ als Mittel zur Aufbesserung ihrer AC-Seminare.
Umwelt ausgeblendet
Einen Menschen während eines Jobinterviews einer Persönlichkeitsanalyse zu unterziehen, ist wie sich ein Atom unter dem Elektronenmikroskop zu betrachten. Es benötigt Licht um sichtbar zu werden. Sobald allerdings auf das Atom Licht fällt, beginnt es sich zu bewegen. Damit entzieht sich das Atom wiederum der Beobachtung ( Heisenbergsche Unschärferelation ). Wem das zu technisch ist, kann versuchen durch das Fenster eines Büros den Menschen bei der Arbeit zu zuschauen. Das betrachtete Verhalten, wird durch die Beobachtung an sich beeinflusst und ist dementsprechend nicht aussagekräftig. In der Marktforschung kennt man diesen Effekt auch als Observer Effect.
Das Gegenteil von Logik
Außerdem verhalten sich Menschen alles andere als logisch und vorhersehbar. Im Gegenteil, Menschen sind manchmal irrational, unlogisch und folgen den eigenen Regeln und Interessen. Womöglich beziehen wir Naturstrom, fahren allerdings mit dem Auto zum Bäcker. Vielleicht sprechen manche nicht viel, sind aber deswegen noch lange nicht introvertiert. Obwohl jemand für gesunde Lebensweise und viel Sport einsteht, kommt er vielleicht doch nicht von den Zigaretten weg. Daraus auf die Eignung für ein bestimmtes Stellenprofil zu schließen, mutet befremdlich an.
Indikatoren
Sprache und Verhalten ist darüber hinaus vom jeweiligen Kontext abhängig. Ist es im Raum kalt, sitzt der Bewerber vielleicht etwas verkrampft auf seinem Stuhl, möchte aber nicht unbequem auffallen. Diese Verkrampfung kann frei interpretiert werden. Womöglich bedeutet sie, dass er sich nicht gut auf neue Situationen einstellen kann. Spricht der Bewerber lieber von „man“ als von „ich“, kann dies ebenso in verschiedene Richtungen interpretiert werden. Vielleicht möchte er nur bescheiden wirken. Letztendlich kann es aber auch eine sprachliche Marotte sein. Außerdem lassen sich diese Indikatoren beeinflussen.
Bestand der Ergebnisse
Wenn eine Persönlichkeitsanalyse abgeschlossen ist, wird der Mitarbeiter in einer Schublade einsortiert. Idealerweise einer Schublade im Unternehmen und nicht außerhalb. Die Halbwertzeit dieser Analysen ist dabei durchaus mit der des strahlenden Elements Erbium (Wenige Sekunden bis Tage) zu vergleichen. Schließlich fließen die gemachten Erfahrungen sofort in das zukünftige Verhalten des Bewerbers ein. Wiederholt sich die Situation, passt der Mensch sein Verhalten an. Die Analyse kommt zu einem anderen Ergebnis.
In der Bewerbungsphase schwingen zusätzlich viele verschiedene Emotionen mit. Das manipuliert eine Analyse bewußt oder unbewußt. Sie kann demnach nicht wiederholt werden. Rein wissenschaftlich betrachtet, handelt es sich nicht um Laborbedingungen. Die Analyse findet unter laufend veränderten Bedingungen statt. Das Ergebnis des Experiments bzw. der Analyse ist also immer unterschiedlich, nicht aussagekräftig und damit wertlos.
Hilflosigkeit
Letztendlich täuschen sich Recruiter, welche Persönlichkeitsanalysen im Rekrutierungsprozess verwenden über eine entscheidende Tatsache hinweg. Die Persönlichkeit von Bewerbern und ihre eigene ist im ständigen Fluss und in Interaktion mit der Umwelt. Sie zeigt sich gleichförmig aber auch mit Gegensätzen. Eine Frage mit „Ja“ beantwortet, kann abhängig von Stimmung und Tagesform auch mal „Nein“ lauten. Schließlich wird der Mensch von einer Vielzahl Faktoren beeinflusst und andersherum. Das bedeutet für Unternehmen ein Risiko, welches durch Methodik nicht eliminiert werden kann. So endet jede Persönlichkeitsanalyse letztendlich im Selbstbetrug und Hilflosigkeit. Diese Hilflosigkeit fördert neue wiederum Analysen.
Coaching und Mentoring
Natürlich möchte ich die Existenz von Persönlichkeitsanalysen nicht gänzlich in Frage stellen. Sicher sind sie im Bereich des Coachings und Mentorings eine Möglichkeit den Dialog zu eröffnen. Eine Momentaufnahme, ein unscharfes Bild der Realität, welches Möglichkeiten zur Entwicklung aufzeigt.
Jeder von uns hat eine Überschrift auf seiner Stirn, doch wissen wir jedoch wie wichtig der Inhalt des Buches ist.
Selbst ein valides 360-Grad-Feedback gleicht die Unvollkommenheit der einzelnen Beobachtung nicht vollständig aus. Was bleibt also ausser Hilflosigkeit und der Erkenntnis trotz aller Wissenschaft und Methodenvielfalt noch immer den Bewerbern nicht in die Köpfe gucken zu können?
SM: Nagut, dann bin ich überwiegend ein Bauchmensch.
HR: Oh! Das überrascht uns jetzt aber, wir haben Sie für einen Kopfmensch gehalten. … Sie sollten vielleicht an Ihrer Selbstreflexion arbeiten. Sie werden sehen, dass ist eine ganz neue Welt!
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Was die Zukunft bringt
Vielleicht dauert es aber gar nicht mehr so lange, bis die Erkenntnis reift, klassische Rekrutierungsprozesse in Frage zu stellen und in die Fachabteilungen zu verlegen. Denn dort sitzen die Menschen mit denen potenzielle Mitarbeiter tagtäglich zusammenarbeiten. In einem agilen Unternehmen, sind das entsprechend auch die Leute, welche den Daumen bei einer Einstellung heben oder senken sollten.
Personalreferenten werden dann zu Beratern, welche die Fachabteilungen bei Praxistagen, Probearbeit sowie Teams bei der Bewerberauswahl unterstützen. Dies allerdings nicht durch eine Kategorisierung mittels Planeten, Schokoriegeln oder Eissorten. Sondern schlicht durch Erfahrungen, Empathie, Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis.
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Ich finde es nur noch amüsant, wie hilflos die Beratungsindustrie mit ihren Placebos (Persönlichkeitstests) seit Jahrzehnten erfolglos herumwurstelt. Das erinnert an den Regentanz der Hopi-Indianer. Dieser kann genauso wenig Regen herbeiführen, wie ein Persönlichkeitstest in der Lage ist, zum Beispiel eine praktische Entscheidung über eine Stellenbesetzung zu unterstützen. Es gibt keinen empirisch fundierten Beleg dafür, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und dem besteht, worauf es in der Praxis ankommt, nämlich der Fähigkeit, messbare Resultate zu generieren. Das Gegenteil gilt für Berater. Sie tragen einfach keine Verantwortung für das, was sie tun. Da kann man locker irgendwelche Placebos empfehlen und darüber theoretisieren. Das ist übrigens eine „problematische“ Erscheinung unserer Zeit: Die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung für praktische Dinge zu übernehmen – wie es bereits Schumpeter kritisierte. Dazu empfehle ich das Buch „Beraten und verkauft“ von Thomas Leif.
Hallo Herr Müller,
Christoph Athanas hat das Wesentliche zu Ihrem Artikel bereits kommentiert.
Nachdem Sie mich trotzdem so nett um einen Kommentar gebeten haben, schreibe ich auch mal etwas – obwohl das so gar nicht meinem typischen Verhaltensmuster entspricht. Um mal in den von Ihnen kritisierten Metaprogrammen zu sprechen: ich bin „polarity responder“. 😉 Sei´s drum, in Entspannung geht alles.
Sie scheinen es erlebt zu haben, dass Unternehmen wegen Metaprogrammen „Kandidaten in die Wüste schicken, welche eigentlich sehr gut gepasst hätten.“ Woran machen Sie denn fest, dass diese Kandidaten „eigentlich“ (also doch mit Einschränkungen? oder am Ende doch nicht?) gut gepasst hätten?
Sie sehen Persönlichkeitstests sehr kritisch. Das gefällt mir. Es gibt so allerhand am Markt; ich habe mit sehr unterschiedlichen Methoden gearbeitet und für mich meine Favoriten gefunden, mit denen ich ein gutes Bild von den Motivationsstrukturen und Verhaltensmustern der Bewerber erhalte. Für mich gibt es nicht die einzig richtige Methode, sondern verschiedene Modelle und Sichtweisen, die je nach Ziel der „Analyse“ Sinn machen.
Ich habe verstanden, dass Persönlichkeitstests für Sie recht großer Nonsens sind und in der Personalauswahl fehl am Platz. Stattdessen soll eine Kategorisierung durch Erfahrungen, Empathie, Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis erfolgen? Ich bin ehrlich: Da habe ich schon sehr erstaunt die Stirn gerunzelt. Sie wollen Schubladendenken vermeiden und sprechen dennoch von Kategorien?
Danke für Ihre kritische Stimme – und ich freue mich auf Ihre Ideen und Artikel, in denen Sie neue Wege und Möglichkeiten betrachten, die bewährte Methoden ergänzen, um einfach die richtigen Mitarbeiter zu finden. Ich lasse mich gerne inspirieren.
Beste Grüße,
Silke Glüsenkamp
P.S.: In den „Golden Rules for Managers“ sehe ich gerade auf Platz 1: „Hire for attitude not for skill.“ – Genau so!
Hallo Frau Glüsenkamp,
vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem Beitrag und das Sie meinem Aufruf gefolgt sind. Wie sich in den vergangenen Kommentaren nun so langsam herauskristallisiert, liegt das Übel womöglich nicht in den dutzenden Methoden und Instrumenten, sondern in der Auswahl und Art/Weise Ihres Einsatzes. Selbst Sie sprechen von Ihren persönlichen Favoriten. Im Umkehrschluss, haben also dann andere Personalmitarbeiter wiederum auch andere Favoriten. Der von Ihnen zitierte Satz „Hire for Attitude, not for skill“ trifft vermeintlich ins Schwarze. Allerdings verstehe ich unter dieser Attitude eher eine ganzheitliche Haltung gegenüber dem Unternehmen. Selbstverständlich kann es aber auch da Widersprüche geben. Auch Sie Frau Glüsenkamp, würde ich gerne zum Interview, welches ich mit Herrn Athanas ausarbeite einladen. Wenn Sie Interesse haben, schicke ich Ihnen gerne die Fragen zu.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller
Lieber Stefan,
ich finde es schade, dass Du in deinem Blog Instrumente nennst, mit denen Du dich bisher nicht tiefer beschäftigt hast, und daher auch keine fundierte Meinung haben kannst.
Bei Einsatz derartiger Instrumente muss man immer beachten, was man messen will und wie man messen will. Genauso, wie ein Handwerker zur Messung der Spannung besser ein Spannungsmeter verwendet, als ein Thermometer.
Es gibt selbsteinschätzende Instrumente, wie z.B. den DISC, oder auch das Big5 Faktoren Modell, bei denen ein Proband aussagen über sich selbst macht. Diese Instrumente sind daher für die Bewerberauswahl unter Umständen nicht so gut geeignet, obwohl es auch Instrumente gibt, welche Manipulationsversuche feststellen können. Dennoch sind derartige Instrumente im Coaching und Training, wo der Proband ein Interesse daran hat, die „Wahrheit“ zu sagen recht gut einzusetzen.
Es gibt aber auch „nicht-selbsteinschätzende“ Instrumente, welche Nachweislich nicht manipulierbar sind, d.h. der Proband ist nicht in der Lage eingewünschtes Ergebnis herbei zu führen. Als Beispiele hierfür dienen z.B. ein IQ-Test, als auch das Hartman Value Profile (lies mal das Buch von Hartman: Freedom of live). Derartige Instrumente sind sehr wohl gut für die Bewerberauswahl einzusetzen, wenngleich auch hier zunächst geklärt werden muss, was und zu welchem Zweck gemessen werden soll.
Ich stimme Dir zu, dass es das eine Instrument für alle Belange nicht gibt, aber es gibt genügend gute und wissenschaftlich validierte Instrumente, um Coaches, Trainer und Personen bei deren Arbeit zu unterstützen.
Wenn Du Interesse hast in das HartmanValueProfile stärker einzusteigen, stehe ich Dir gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Viele Grüße
Oliver
Hallo Oliver,
Es ist toll mit meinen Lesern in Kontakt zu kommen. Du hast vollkommen Recht, ich kenne tatsächlich nicht alle dieser Methoden im Detail. Du sprichst, meiner Meinung nach, allerdings einen sehr wichtigen Punkt an. Man muss ganz genau überlegen was man messen möchte. Außerdem entnehme ich deinem Kommentar, das der Einsatz dieser Instrumente gekonnt sein muss. In meinem durchaus provokativem Beitrag unterstelle ich, dass beides in den meisten Fällen nicht der Fall ist. Wie hoch ist wohl die Quote der Abteilungen, welche eine Persönlichkeitsanalyse nicht fundiert anwenden, sondern quasi aus Büchern und Internet extrahiert haben.
Mit Christoph habe ich bereits über ein Interview gesprochen genau zu diesem Thema. Über Pfingsten erarbeite ich ein paar Fragen. Es würde mich freuen wenn du ebenfalls mitmachst.
Viele Grüße
Stefan
Ich bin gerne dabei!
Schöne Pfingsten.
VIel Grüße
Oliver
Lieber Stefan,
ein schön polemischer Beitrag, den Du hier verfasst hast. Ich finde allerdings, dass Du hier verschiedene Dinge zusammen wirfst, die so nicht zusammengehören. Persönlichkeitsprofil ist nicht gleich Persönlichkeitsprofil. Du zählst eine ganze Reihe von Ansätzen auf. Darunter sind aber eine Reihe die in keiner Weise einem klassischen, valides Persönlichkeitstest entsprechen. Zum Beispiel der Meyer-Briggs-Typenindiaktor (MBTI). Der ist zwar sehr bekannt, aber auch sehr schlecht (genauer, hat eine schlechte Reliabilität). Oder: Das 9 Levels Ding ist eine unwissenschaftliche, halb-esoterische Anwendung, die versucht die Werteebene eines Menschen zu hinterfragen. Das ist eine andere Dimension von Persönlichkeit, als es Verhaltensvorlieben sind. Diese wiederum stehen im Fokus von zB. Insights oder persolog oder (in kleinerer Form und nicht direkt als EIN Test zusammengestellt) bei den Metaprogrammen. Allein damit vergleichst Du Äpfel mit Birnen.
Der vielleicht wichtigste und wissenschaftlich absolut über Zweifel erhabene Big Five Ansatz (z.B. in Form den NEO FFI) zur Messung von Persönlichkeitsausprägungen in Verhaltensmustern taucht in Deiner Aufzählung überhaupt nicht auf.
Deine Überlegungen zu möglichen Friktionen bei der Beantwortung von solchen Persönlichkeitstools sind natürlich berechtigt und die Kontextabhängigkeit ist ebenso richtig (darum sind manche Werkzeuge auch für den Arbeitskontext entworfen und andere psychologische Fragebögen bspw. für klinische Kontexte). Allerdings sind gut gemachte Persönlichkeitsmessungen genau darauf angelegt solche Friktionen möglichst gering zu halten. Selbst die soziale Erwünschtheit (ein anderes Wort für „schummeln“ im Bewerbungsprozess) wird in solchen Werkzeugen berücksichtigt.
Fazit: Du tust gut daran – wie gegen Ende Deines Beitrages geschehen – das Thema „Persönlichkeitstest“ nicht total ab zu tun. Allerdings muss ich feststellen, dass Du hier etwas kritisierst und in Deiner Kritik u.a. oben genannte Aspekte schlicht unsauber sind. Vielleicht magst Du Dich zu Persönlichkeitstools, ihrem richtigen Einsatz und ihrer Wirkungsweise noch mehr informieren, falls das Thema Dich interessiert. Dann guck mal in diese Bücher: 1) Schuler, Heinz (2000). Psychologische Personalauswahl: Einführung in die Berufseignungsdiagnostik und 2) Hossiep,R. / Paschen, M. (2000). Persönlichkeitstests im Personalmanagement: Grundlagen, Instrumente und Anwendungen.
Ich fände das prima, denn Kritik und Skepsis sind richtig und wichtig. Allerdings ein Thema dazu besser zu kennen halte ich für sinnvoll. Sonst sind es nämlich u.a. solche Artikel wie der Deine hier, der seriösen Beratern wie mir es schwerer machen mit Personal- und Fachabteilungen über das Thema Tests als Teil einer Qualitätsstrategie im Recruiting zu sprechen. Das ist schade, denn ich bin sicher, dass das nie Deine Absicht war mit dem Beitrag.
Ich hoffe sehr, Du nimmst meinen Kommentar als positive und konstruktive Anregung auf.
Viele Grüße von Blogger zu Blogger,
Christoph
Hallo Christoph,
vielen Dank für deinen sehr konstruktiven Kommentar. Ich habe mich sehr gefreut. Du hast vollkommen Recht, es gibt durchaus Analysen, welche ihre Berechtigung in dieser Welt haben. Auch dir als Berater und Coach möchte ich natürlich das Leben nicht schwer machen. Die Auseinandersetzung mit diesen Werkzeugen ist aber grade der springende Punkt. Was nützt ein tolles Werkzeug, wenn man damit nicht umgehen kann? Da sind grade Berater und Coaches gefragt, diesen Umgang korrekt beizubringen. Die dafür notwendige Selbstreflexion brauchen Unternehmen aber als erstes. Bis dahin allerdings kann es passieren, dass Unternehmen mit der Verwendung beispielsweise der Metaprogramme, Kandidaten in die Wüste schicken, welche eigentlich sehr gut gepasst hätten. Das kostet wiederum Geld und Zeit. Außerdem war es mir sehr wichtig zu zeigen, dass nicht hinter jedem Ansatz der Weisheit letzter Schluß steht. Dank für deine Quellenangaben. Ich werde sie in meine Lektüre aufnehmen.
Freu mich auf weiteren Austausch!
Viele Grüße
Stefan Müller