Auf Zeit.de gibt es dieser Tage ein interessantes Interview ( „Ich habe ein Recht auf Arbeit am Wochenende“) zum Thema Arbeitskultur in Japan. Es geht unter anderem um die exzessive Arbeitsmoral der Japaner. Jährlich sterben über Hundert Arbeitnehmer an Überarbeitung, Karoshi genannt.
Der Mensch erleidet gesundheitliche Schäden, wenn er sich nicht mehr regenerieren kann, beispielsweise durch fehlenden Schlaf. Durch diese verminderte Regeneration ist er weniger Leistungsfähigkeit und sein Immunsystem ist geschwächt. Damit ist er wiederum im Beruf weniger Leistungsfähigkeit. Das führt zu mehr Arbeit und Stress. Der Mensch begibt sich in einen Teufelskreis.
Mitarbeiterbindung durch soziale Leistungen
Die japanischen Unternehmen sind für ihre Mitarbeiter eine Art Familienersatz. Sie bilden mit ihnen eine Lebensgemeinschaft welche oftmals auch der eigenen Familie vorgezogen wird. Die Unternehmen übernehmen sehr viele soziale Leistungen und zahlen stellenweise sogar für die Bildung der Kinder. Dadurch folgt eine hohe Mitarbeiterbindung bis hin zum Gruppenzwang. 12-13 Stunden Tage sind im beruflichen Alltag keine Seltenheit. Die Arbeitsmoral ist dadurch sehr hoch und es wird sogar auf zugesicherte Urlaubstage verzichtet. Schließlich möchte man die Kollegen nicht zusätzlich belasten. Der Krankenstand liegt dabei erstaunlich niedrig bei 1%.
Die japanische Regierung macht nun fünf Tage Urlaub zur Pflicht. In Deutschland sind gesetzlich 27 Tage vereinbart. Diese Verpflichtung steht für den langsam zunehmenden Schutz der Arbeitnehmer in Japan.
Karoshi ( 過労死 )
Japan ist jedoch auch eines der Länder mit der höchsten Selbstmordrate und lag 2014 bei 25.374 Fällen, davon alleine zweidrittel Männer ( Link zum Artikel ). Damit ist die Selbstmordrate allerdings nun seit fünf Jahren rückläufig.
Dazu kommen nochmal ca. 150 Todesfälle jährlich durch Überarbeitung. Dieses Phänomen wird auch Karoshi ( 過労死 ) genannt und bedeutet Tod durch Überarbeitung. Todesursachen können Schlaganfall, Hirnblutung oder Herzinfarkt sein. 2009 lag Japan noch auf Platz 8 der internationalen Selbstmordrate. Ein Teil dieser Zahl sind durch Arbeit motivierte Suizide.
Karoshi in Deutschland?
Grade in einer besonders Leistungsorientierten Gesellschaft in der die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf verschwimmen sowie steigendem Vernetzungsgrad beeinflusst uns der Stress über die Arbeitszeit hinaus. Dadurch bedingt können auch wir in einen Teufelskreis der Ermüdung geraten. Während die EU für Deutschland eine durchschnittliche Arbeitszeit von 41,7 Wochenstunden angibt, gibt es doch sehr viele Berufsgruppen welche deutlich mehr Arbeiten.
2013 berichtete die Welt von dem Merrill-Lynch-Praktikanten Moritz E. welcher innerhalb von 14 Tagen, 8 Tage nicht schlief und anschließend verstarb. Außerdem gibt es ähnliche Nachrichten aus der Finanzbranche.
Berater arbeiten meist 60 Stunden pro Woche oder mehr. Nach einer Dissertation von 2008 gehören soziale und menschlich orientierte Berufe zudem zu den Risikogruppen. Bei Medizinern sind mehrfach-Schichten keine Seltenheit. Bereits 20-30% entwickeln in der Zeit als Assistenzarzt Depressionen.
Zusammenfassung
Natürlich ist Deutschland nicht mit Japan vergleichbar. Zu einem ähnlichen Phänomen wird es hier in diesen Dimensionen also wahrscheinlich nicht kommen. Allerdings gibt es Einzelfälle in denen der Arbeitgeber nicht eingegriffen hat.
So gibt es Karoshi wohmöglich längst bei uns. Wir haben es bisher aber noch nicht erkannt und benannt. 2013 gehörten Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen des Herzmuskels zu den häufigsten Todesursachen .
In der New Work Bewegung ist es deshalb für mich wichtig nicht nur Sinn und Spaß in den Vordergrund zu stellen sondern auch Gesundheit. Als Arbeitgeber habe ich ein Interesse daran die Arbeitsleistung meiner Mitarbeiter langfristig zu erhalten und zu entwickeln und diese nicht kurzfristig zu verschleissen. Wie uns die Umsetzungskompetenzen zeigen, kann sich ein Mensch über innere Impulse und Sicherheitsmechanismen hinwegsetzen. Sonst wären Arbeitszeiten wie in Japan gar nicht möglich. Diese Eigenschaft hat sicher evolutionär einen Sinn, doch geben wir damit ein Stück Verantwortung für uns selber an die Unternehmen ab. Diese wissen aber wohlmöglich gar nichts mit dieser Verantwortung anzufangen. Somit bleibt nur die Verantwortung wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Das führt zu einer Abwertung des Berufes im Leben und hebt das Leben neben dem Beruf auf Augenhöhe.
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