Ich gehöre zur Generation Y oder auch Generation “Why” genannt. Wahrscheinlich weil wir alles hinterfragen. Überall liest man vom Wandel des Arbeitens , aber wie werden wohl Unternehmen aussehen, wenn ich in Rente gehe? Ich habe mich ins Jahr 2053 versetzt und möchte versuchen mit “Als die Generation Y 70 wurde” die Arbeitswelt zu sehen wie sie dann vielleicht sein wird…
Der Tag an dem ich 70 wurde
Der Tag an dem ich 70 wurde war ein Sonntag, ein Arbeitstag. Im Jahre 2053 gibt es keine klassischen Wochenenden mehr. Das hat die Regierung abgeschafft, als man sich von China so bedroht fühlte. Das gesamte Jahr wird gearbeitet. Auch gibt es keinen gesetzlichen Urlaub mehr, weil die meisten Unternehmen sowieso unbegrenzt Urlaub anbieten. Man muss sich den Urlaub halt leisten können. Das hat früher zu großen Problemen geführt. Die Leute haben sich damals reihenweise das Leben genommen, weil sie einfach nicht mehr konnten. Mittlerweile geht es aber. Der Staat hat mit entsprechenden Programmen interveniert.
Das Alter 70 ist mit dem Beginn der Rente markiert. Eine Rente, die so klein ist, dass man sie treffender als Taschengeld bezeichnen müsste. Meine Firma hat mir natürlich angeboten auch weiterhin für sie tätig zu sein. Mein Ansprechpartner im Personalexcellence meint, solange ich noch klar im Kopf bin, kann ich jederzeit in die Firma kommen und den jungen Leuten bei ihren Projekten assistieren. Wie könnte ich auch anders als bei der kleinen Rente. Man muss sich die Rente halt leisten können. Wenn der gute Mann von “in die Firma kommen” spricht, meint er eigentlich meinen Homeoffice Arbeitsplatz. Die Vernetzung ist soweit vorgeschritten, dass es praktisch keinen Unterschied macht ob ich per Holokonferenz zugeschaltet bin oder tatsächlich am Konferenztisch einnicke. Das mache ich bereits seit ein paar Jahren so. Ich stolperte im Wohnzimmer blöd über den Saugroboter und bin deswegen etwas schlecht zu Fuß.
Meine Firma ist ein recht seltsames Gebilde. Es gibt weder einen Hauptsitz noch sonst irgendwelche festen Büros. Man könnte fast meinen uns gäbe es gar nicht. Aber irgendwoher kommt dann doch ein Gehaltsscheck. Diverse Webseiten, Twitbook Accounts und Blogs sprechen zudem eine andere Sprache. Manchmal finden sich ein paar meiner Kollegen zu einer Arbeitsgruppe im Center zusammen. Das Center ist in meiner Stadt so was wie eine Shopping Mall, nur für Firmen ohne Adresse. Rechtlich ist das übrigens schwierig, wenn das Unternehmen quasi obdachlos ist. Deswegen hat der Gesetzgeber jetzt das führende Rechenzentrum als Hauptsitz bestimmt. Das bedeutet ich arbeite bei einer schwedischen Firma. Dabei sehe ich bei meinen Konferenzen immer nur Esel und keine Elche. Ich hoffe meine Kollegen verzeihen mir diesen Spaß. Ich mag sie ja sehr. Die Menschen die im Umkreis wohnen, treffen sich regelmäßig zur gegenseitigen Wohnungsbelagerung. Dieser Zusammenhalt ist mir sehr wichtig, weil letztendlich sind wir alle Unternehmer im Unternehmen. Das ist etwas kompliziert zu erklären, ich verstehe es meist selber nicht. Das sollte ich allerdings nicht meinem Personalexellence Mann erzählen.
In der Phase als die Generation Z quasi das Ruder von uns übernahm, waren Startups der Renner. Ich meine das waren sie ja schon immer irgendwie. Als ich meinen 50. Geburtstag feierte, hatte jeder zweite Student bereits ein Startup gegründet und bereits zwei wieder geschlossen. Das hatte etwas mit Selbstständigkeit zu tun und die Freiheit die sie einem angeblich bot. Selbstständigkeit muss man sich halt leisten können. Als langsam die Geschäftsideen ausgingen waren es Konzerne wie mein Arbeitgeber, die mit einem neuen Jobmodell um die Ecke kamen. Es war eine Art Mischung aus Franchise und Startup und macht aus jedem Mitarbeiter einen Entrepreneur mit seiner eigenen Nische im Unternehmen. Ich habe mir das neulich nochmal von meiner Tochter erklären lassen. Das bedeutet viel Druck, aber man ist trotzdem der eigene Herr im Haus. Naja, oder die eigene Dame.
Vor 10 Jahren hatte ich noch einen Vorgesetzten. Er hieß Peter, oder Björn. Ja, es muss etwas schwedisches gewesen sein. Ein feiner Kerl, zuweilen allerdings kurz angebunden. Björn gehörte zu einer aussterbenden Art in meiner Firma. Er war einer der letzten Vorgesetzten bis wir alle Entrepreneur wurden. Jetzt bestimmt nur noch Angebot und Nachfrage unser Geschäft. Sicher gibt es irgendwo einen Boss welcher über unsere Leistung wacht, gesehen oder gehört hat den aber noch niemand. Wir nennen ihn manchmal im Spaß Heinrich oder Gott. Manchmal auch beides, mein Gott Heinrich. Unsere Verträge werden im Wochenrythmus verlängert. Mir persönlich macht das nicht viel aus aber dafür vielen anderen. Sie wissen noch, die sich das Leben genommen haben. Irgendwie habe ich das Gefühl betrogen worden zu sein. Ich wollte immer etwas mit Sinn tun. Einen Arbeitgeber der sich um mich sorgt. Meine Familie mit dem Beruf in Einklang bringen. Letztendlich habe ich all das bekommen. Denn ich bin zu Hause bei meiner Frau, meine Firma stellt Impfungen her und ich verwalte die Zuweisung an die vereinten Nationen. Heinrich fragt regelmäßig auf Twitbook nach meinem Wohlbefinden und bietet mir einen Kontakt zur Firmen Psychologin an. Wir nennen sie manchmal Gottes Schwester. Ja, wir haben schon viel Spaß.
Ein klasse Text: Er zeigt am persönlichen Beispiel, was Lynda Gratton in “Job Future – Future Jobs” als Zukunft der Arbeit beschreibt. Chapeau und viel Erfolg für´s Blog!
Herzliche Grüße, Petra-Alexandra Buhl
Hallo Frau Buhl,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Auch vielen Dank für die Literaturempfehlung. Das Buch kommt sofort auf meine Leseliste. Es freut mich, das Ihnen mein Beitrag gefallen hat. Ich wünsche einen guten Start in den Tag und auf wiedersehen auf kickinthepants.de!
Viele Grüße
Stefan Müller